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Die Zweckentfremdung der Stadt

Bochum hat kein Leerstandsproblem und eine Zweckentfremdungssatzung ist ein ordnungspolitisches Instrument das nicht benötigt wird. Mit diesen Kernaussagen lehnte die Bochumer SPD Ratsfraktion den Erlass der Zweckentfremdungssatzung ab, deren Ausarbeitung zuvor mit ihrer Mehrheit im Stadtrat beschlossen wurde. Das Thema Zweckentfremdungssatzung ist damit für die nächsten Jahre vom Tisch.

Mit ihrer Ablehnung eilen die Bochumer Sozialdemokraten wohnungspolitisch der neuen NRW-Landesregierung voraus. Die Koalition aus CDU und FDP hat angekündigt, die Möglichkeit einer kommunalen Zweckenftremdungsverordnung aus dem Wohnungsaufsichtsgesetz des Landes zu streichen.

Die vier leerstehenden Gebäude, die das Netzwerk »Stadt für Alle« im Oktober 2016 besuchte und als Beispiele für Leerstände mitten in der Bochumer Innenstadt kennzeichnete, stehen heute, ein Jahr später immer noch leer. Darunter die beiden Wohnhäuser Düppelstraße 22a und Wittener Straße 74. Nichts hat sich in den letzten 12 Monaten dort verändert. Zugleich sind immer noch rund 3.000 Geflüchtete gezwungen, in Containerlagern und anderen provisorischen Unterkünften zu leben. Haushalte mit niedrigen Einkommen haben es zunehmend schwerer, eine angemessene Wohnung zu finden.

Der politische Wille an der Auflösung dieses Widerspruchs zu arbeiten, ist in der Bochumer SPD nicht vorhanden. Im Gegenteil. So war die Debatte zur Zweckentfremdungssatzung im Ausschuss für Strukturentwicklung und im Stadtrat gekennzeichnet von Ignoranz und Ahnungslosigkeit. Die Verbesserung der Wohnsituation von Geflüchteten durch eine Aktivierung von Leerständen wurde weder als Chance wahrgenommen, noch spielte sie überhaupt eine wohnungspolitische Rolle. Die Möglichkeit Leerstände, in welchem Umfang und aus welchem Grund es sie auch immer geben mag, mit Hilfe einer Zweckentfremdungssatzung überhaupt einmal zu erfassen, erschien jenseits jeglichen Vorstellungsvermögens. In Kombination mit den erwartbaren Gegenargumenten von CDU und FDP, die von „investorenfeindlichem Klima“ oder „Bürokratiemonster“ sprachen, entstand eine Debatte, der nicht nur der Sachverstand fehlte, sondern auch jegliche Empathie für die von steigenden Mietpreisen und fehlendem günstigen Wohnraum Betroffenen. Es war unterirdisch.

Die Bochumer Sozialdemokraten hatten nicht nur keine Idee, was sich mit einer Zweckentfremdungssatzung alles anstellen ließe, sondern auch kein Interesse daran, in den Wohnungsmarkt regulierend einzugreifen. Sie setzen damit ihre neoliberale Politik der „unternehmerischen Stadt“ fort, die sich kaum mehr von der Politik der CDU oder FDP unterscheiden lässt. Die zutiefst ideologische Vorstellung der „unternehmerischen Stadt“ zweckentfremdet das Gemeinwesen Stadt als „Konzern“ und kann Stadtgesellschaft nur noch als „Markt“ denken. Die Regierung übernimmt der Sachzwang und wer Visionen hat muss zu Arzt gehen, wie es Helmut Schmidt einmal gesagt hat. Diese Mut- und Innovationslosigkeit ist deprimierend.

Das Netzwerk »Stadt für Alle« wird sich weiterhin in die Wohnungspolitik der Stadt Bochum einmischen und konkrete Alternativen aufzeigen.

Veröffentlicht in Stadt für Alle