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Wohnungsbauoffensive ist keine ausreichende Antwort

Ein Kommentar des Netzwerks »Stadt für Alle« zum Handlungskonzept Wohnen der Stadt Bochum

Das Handlungskonzept Wohnen stellt die Probleme auf dem Bochumer Wohnungsmarkt weitgehend richtig heraus, gibt unserer Einschätzung nach aber falsche Antworten darauf. Bochum wächst, die Zahl der Sozialwohnungen sinkt trotz hohem Bedarf weiter, der Wohnungsmarkt ist enger geworden.

Die Ablehnung einer Zweckentfremdungssatzung und das erarbeitete Handlungskonzept Wohnen machen deutlich, dass vor allem Wert auf die Förderung privatwirtschaftlicher Investitionen gelegt wird und nicht auf eine nachhaltige soziale Wohnraumversorgung.

»Stadt für Alle« beschäftigt sich seit einem Jahr mit den wohnungspolitischen Herausforderungen. Wir kritisieren das städtischen Konzept an zahlreichen Punkten:

Bauen Bauen Bauen ist keine ausreichende Antwort

Das Handlungskonzept setzt im Kern auf eine Neubauoffensive. In der Tat werden durch das Wachstum der Stadt und den Trend zu Singlehaushalten mehr Wohnungen benötigt. Neubau dauert aber mehrere Jahre. Nur sozial geförderte Wohnungen sind wirklich bezahlbar, die Mieten frei finanzierter Wohnungen liegen in der Regel 50 % über der Bochumer Durchschnittsmiete, sind also von vielen nicht bezahlbar.

Sozialwohnungen haben im Handlungskonzept aber keine Priorität. Zwar sollen für neue Baugenehmigungen und bei Verkäufen von Grundstücken eine Quote festgelegt werden. Das Handlungskonzept soll aber so viele Ausnahmen ermöglichen, dass »Stadt für Alle« entgegen dem städtischen Versprechen von einem weiteren Verlusten von Sozialwohnungen ausgeht.

Leerstände nutzen

»Stadt für Alle« war im September entsetzt über die Ablehnung der Zweckentfremdungssatzung im Rat. Zuvor hatten die Bezirksvertretungen mehrheitlich dafür votiert. Eine solche Satzung hätte zeitnah eine Offensive für die Umwandlung unbewohnter und nicht bewohnbarer Wohnungen ermöglicht. Diese hätte für eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt gesorgt, von dem alle Mieter*innen profitiert hätten.

Begründet wurde die Ablehnung im Rat wahlweise damit diese bringe nichts, es gäbe kein Leerstandsproblem, die Gründe für Leerstand seien unklar, es sei ein Bürokratiemonster oder gar diese verhindere Neubau. Nichts davon ist wahr.

Besonders perfide ist der Hinweis, eine Zweckentfremdungssatzung sei zu teuer, während die Stadt gleichzeitig Millionen für Imagekampagnen ausgibt. »Stadt für Alle« geht daher davon aus, der Stadt fehlt es am Willen.

Ignoranz für die Probleme von Geflüchteten und Armen

Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, spielen im Handlungskonzept nur am Rande eine Rolle. Hier zeigt sich das Grundproblem der unternehmerische Stadt, die sich nicht mehr als Akteur der Bürger*innen sieht, sondern als Marke, die sich im Wettbewerb mit anderen Städten befindet. Dieser Paradigmenwechsel im städtischen Selbstverständnis führt dazu, daß reiche Menschen erwünscht sind, Arme aber stören, weil sie Geld kosten.

Entsprechend verbleiben Geflüchtete in menschenunwürdigen Sammelunterkünften. Die Wohnungsgrößen die von den „Kosten der Unterkunft“ noch abgedeckt werden wurden gesenkt. Die kommunal verbundene VBW wird nicht auf Sozialen Wohnungsbau verpflichtet. Die Quote für geförderten Wohnungsbau wird verwässert.

Partizipation geht anders

Das Handlungskonzept Wohnen sollte in einer breiter Diskussion mit Beteiligung der Bürger*innen entstehen. In der Realität war das bestenfalls halbherzig. Erstellt hat das Handlungskonzept das Unternehmen »Empirica«. Die in mehreren Workshops artikulierten Vorschläge wurden von »Empirica« zusammengefasst und aus ihrer Perspektive kommentiert. Während 70 Prozent der Bewohner*innen der Stadt Mieter*innen sind, repräsentierten im Erstellungsprozess dreiviertel der Teilnehmer*innen die Immobilienwirtschaft. Lediglich ein schlecht angekündigter Infoabend für Bürger*innen fand statt, der letztlich fast nur von Professionellen besucht war. »Stadt für Alle« durfte immerhin auf Nachfrage an den Workshops teilnehmen. Dies nutzen wir, um uns kritisch in die Debatte einzubringen. Zwar wurden unsere Vorschläge und Alternativen dokumentiert, im politischen Handlungsergebnis finden wir uns jedoch nicht ansatzweise wieder.

»Stadt für Alle« mischt sich weiter ein

Auch nach der Verabschiedung des fragwürdigen Handlungskonzeptes wird sich »Stadt für Alle« weiter einmischen. Die Initiative sieht nach der erschreckenden Ignoranz der offiziellen Stadt, eine große Notwendigkeit mit anderen Initiativen unter dem Motto „Stadt selber machen“ für sozial nachhaltige und lebenswürdige Wohnverhältnisse in der Stadt zu sorgen.

Veröffentlicht in Stadt für Alle