Welche Veränderungen sind in der Bochumer Innenstadt geplant? Unsere interaktive Karte zeigt die Gebäude und Flächen die in der Bochumer Innenstadt neu gestaltet werden sollen. Klicken Sie auf den jeweiligen Marker um mehr zu erfahren.
Eine erste Positionierung des Netzwerks »Stadt für Alle« vom März 2018 zur Umgestaltung der Innenstadt finden Sie hier.
Appolonia-Pfaus-Park

Die Namensgeberin des Parks Appolonia Pfaus war eine Sinteza, die 1878 in der Schweiz geborene wurde. Sie war Mutter von 11 Kindern. Appolonia Pfaus lebte zuletzt bei ihrem vierten Sohn Peter in Bochum, der hier im Bochumer Verein arbeitete. Allerdings verlor er seine Anstellung dort, weil die ostdeutschen Zwangsarbeiter*innen noch günstiger waren, als die „Reichsdeutschen Zigeuner“. Am 21. Oktober 1943 wurde Peter Pfaus mit seiner Familie gezwungen, die Deportation ins Todeslager Auschwitz anzutreten. Seine Mutter Appolonia wollte sich nicht von ihrer Familie trennen und folgte ihnen. 1944 starb sie in Auschwitz an den Folgen der Lagerhaft und Zwangsarbeit.
2004 konnte die VVN nach langen Verhandlungen mit der Stadt erwirken, dass der Park nach Appolonia Pfaus benannt wurde, um ein Zeichen der Mahnung und Erinnerung den ermordeten und verfolgten Sinti und Roma während der Nazizeit zu setzten.
In einer Machbarkeitsstudie der Stadt Bochum zur möglichen neuen Bebauung rund um den Appolonia-Pfaus-Park, war ein Gebäudekörper auf der Fläche des Parks entlang der Windmühlenstraße eingezeichnet. Die angedachten Pläne zur Verkleinerung des Parks sind inzwischen vom Tisch. Im Dezember 2024 beschloss der Rat der Stadt Bochum, dass der kleine innerstädtische Park als öffentlicher Grünraum im Rahmen der Maßnahme „Upgrade Grün und Spiel“ aufgewertet und gestärkt werden soll.
Schon 2019 veröffentlichte »Stadt für Alle« eine »Ideen-Karte« für die Flächen und Gebäude zwischen Rathaus und Appolonia-Pfaus-Park.
Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ)

Das Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ) wurde im Jahr 1980 eröffnet. Untergebracht sind hier aktuell die Stadtbücherei, die Volkshochschule und diverse Ämter der Stadt Bochum. Obwohl das Gebäude erst 38 Jahre jung ist, ist es stark sanierungsbedürftig, da die Stadt Bochum zum Substanzerhalt notwendige Arbeiten immer wieder verschoben bzw. nicht vollständig durchgeführt hat.
Im April 2016 kündige Oberbürgermeister Thomas Eiskirch ohne vorherigen Beschluss der zuständigen Gremien an, dass das Gebäude nicht saniert, sondern komplett abgerissen werde. Zur Begründung hat die Stadt ein Gutachten bei der Consulting-Agentur Ernst & Young in Auftrag gegeben, bei dem raus kam: Das Gebäude sei so heruntergewirtschaftet, dass eine Sanierung genauso teuer wäre wie der Abriss und ein Neubau. Im November 2017 beschlossen SPD und Grüne, dass das BVZ zusammen mit der Musikschule, dem Gesundheitsamt und der Westring-Turnhalle abgerissen werden soll. Die rund 12.000 Quadratmeter große Fläche bester Innenstadtlage sollte an einem privaten Investor verkauft und unter dem Titel „Wohnen am Apollonia-Pfaus-Park“, für überwiegend hochwertigen Wohnungsbau genutzt werden. VHS und Stadtbücherei erhalten auf der gegenüberliegenden Seite des Rathauses, im ehemaligen Telekom-Block, ein neues Zuhause – das sogenannte „Haus des Wissens“.
Im Dezember 2024 bestätigte die rot-grüne Mehrheit im Rat der Stadt Bochum den geplanten Abriss des Gebäudes bzw. beschloss sie eine Konzeptvergabe der „Fläche BVZ“ mit Option zum Abriss, jedoch auf Basis des Erbbaurechtes, also ohne Privatisierung der Grundstücke. Unter dem BVZ befindet sich eine Tiefgarage, die weiter genutzt werden soll. In der sogenannten „Fläche BVZ“ sind auch die Gebäude Gesundheitsamt und der Ostflügel der Musikschule enthalten (siehe unten: Telekom-Block / Haus des Wissens).
Das Netzwerk »Stadt für Alle« setzt sich mit ökologischen, sozialen und städtebaulichen Argumenten für den Erhalt und eine Nachnutzung des Gebäudes des BVZ ein: Nachnutzungskonzepte für das BVZ
Musikschule und Gesundheitsamt

Im Dezember 2024 nahm die Stadt Bochum in einem Ratsbeschluss Abstand von den 2017 beschlossenen Plänen das Gebäude der Musikschule abzureissen und das Grundstück, zusammen mit den Flächen des Gesundheitsamtes und des Bildungs- und Verwaltungszentrum, an private Investoren zu verkaufen (siehe BVZ oben). Der neue Ratsbeschluss sieht vor, das Gebäude der Musikschule zu erhalten und im Wege des Erbbaurechtes an potenzielle Träger*innen für eine privat finanzierte, gemeinwohlorientierte Entwicklungen zu vergeben, bzw. „die Marktlage hierzu zu erfassen“.
Damit folgt die Stadt Bochum den seit 2018 bestehenden Forderungen und Vorschlägen des Netzwerks »Stadt für Alle« und des »Zukunftsmusik e.V.« zum Erhalt und zur Nachnutzung des Gebäudes als sozialen und kulturellen Ort. Aktuell entwickelt der »Zukunftsmusik e.V.« mit interessierten Akteuren Konzepte dazu.
Die Institution Musikschule erhält 2028 ein neues Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zum Musikforum an der Viktoriastraße. Das ehemaligen Landesbehördenhause am Marienplatz wird dazu für rund 30 Millionen Euro umgebaut.
Im oben genannten Ratsbeschluss von Dezember 2024 enthält die sogenannten „Fläche BVZ“ auch die Gebäude Gesundheitsamt und den Ostflügel der Musikschule. Inwieweit durch Abriss und Neubau die mit dem Gebäude der Musikschule vorhandene Campus-Situation und das Gebäude selbst zerstört werden, ist aktuell nicht abzusehen.
Telekom-Block wird Haus des Wissens


Der Telekom-Block hat eine Grundfläche von rund 6.000 Quadratmetern und sollte ursprünglich zusammen mit dem angrenzende Areal des ehemaligen Justizzentrums als sogenanntes »Viktoria-Karree« entwickelt werden. Der Bochumer Textil-Einzelhändler Andor Baltz, der in der Bochumer Innenstadt das Modehaus Baltz betreibt, erwarb den Telekom-Block für 5,3 Mio. € um Einfluss auf die Entwicklung des angedachten »Viktoria-Karrees« zu nehmen und potentielle Konkurrenz auszuschließen. Eine abgestimmte Entwicklung von Justiz-Areal und Telekom-Block scheiterte.
Im Juli 2018 erwarb die Stadt Bochum den Telekom-Block für rund 6,5 Mio. € von Andor Baltz um ihn als neuen Standort für Stadtbücherei und VHS zum »Haus des Wissens« zu entwickeln. Durch Kauf und Verkauf realisierte Andor Baltz innerhalb nur weniger Jahre einen Spekulationsgewinn von 1,2 Mio. € der aus öffentlichen Mitteln stammt.
Das Leuchtturmprojekt »Haus des Wissens« soll nicht nur der Stadtbücherei und der VHS ein neues Zuhause bieten, sondern auch vom Wissensverbund Bochumer Hochschulen »UniverCity« genutzt werden. Im überbauten Innenhof soll eine Markthalle entstehen und auf dem Dach ist eine Dachterrasse als öffentliche Grünfläche geplant. Die Baukosten des visionären Projekts liegen Stand 2025 bei rund 150 Mio. €.
Das Projekt ist umstritten und wird insbesondere wegen der hohen Baukosten kritisiert. »Stadt für Alle« sieht in dem Projekt, das sich an modernen multifunktionalen Bibliotheken in skandinavischen Ländern orientiert, einen wichtigen Beitrag zum Ausbau öffentlicher Infrastruktur und eine Chance zur Belebung der Innenstadt. Fragwürdig ist jedoch die inhaltliche Konzeptentwicklung ohne Einbeziehung der Bochumer Stadtgesellschaft und die Kombination eines öffentlichen Ortes mit einer kommerziellen Markthalle, deren dauerhafter Betrieb vermutlich nur mit hohen Subventionen möglich sein wird.
Fragen zum »Haus des Wissens« veröffentlichten wir 2021 und eine Stellungnahme zur Diskussion über die Kostenexplosion im Juli 2022.
Justiz-Areal wird Husemann-Karree


Das ehemalige Justiz-Areal umfasst mit 10.500 qm die gesamte Fläche, die bis 2017 Amtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft beherbergte. Die Asbestverseuchung dieser Gebäude und der dadurch notwendige Neubau am Ostring setzten die gesamte Neuplanung für das »Viktoria-Karree« 2007 in Gang.
Nachdem zunächst die Hamburger ECE, die auch Citypoint und Drehscheibe betreibt, als sicherer Investor galt, erfolgte eine gemeinsame PLanung mit dem Gelände des benachbarten Telekom-Blocks. Doch der Telekom-Block wurde überraschend vom Bochumer Kaufmann Andor Baltz erworben, der andere Pläne hatte. Die ECE stieg aus.
Im Januar 2014 entschied sich das Preisgericht des Investorenwettbewerbs für den Entwurf der Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB), die jedoch ebenfalls den Telekom-Block mit umfasste und deshalb nicht 1:1 umgesetzt werden konnte.
Die HBB realisierte nun auf dem ehemaligen Justiz-Areal das sogenannte »Husemann Karree«. Es besteht aus zwei Gebäudekörpern, die von einer Art Gasse getrennt werden, und in denen sich ein Fitnessstudio, ein Hotel, Gastronomie sowie Einzelhandels- und Büroflächen befinden. Der städtebauliche Charakter der wuchtigen Gebäude wirkt wie aus einem anderen Jahrhundert. Insbesondere der „schwarze Turm“ wird von vielen Bochumer*innen als „hässlicher Fremdkörper“ wahrgenommen.
Die Stadt Bochum hat 15.000 qm Büroflächen im »Husemann Karree« für eine Nettokaltmiete von 15,50 € pro qm für städtische Behörden mit rund 700 Arbeitsplätzen angemietet. Die Anmietung der Flächen durch die Stadt Bochum und der überdurchschnittliche Mietpreis den sie bereit ist dafür zu zahlen, machten das Investment für die HBB überhaupt erst attraktiv. Mit der Stadt Bochum als großen Ankermieter – sie mietet rund 40 % der gesamten Fläche – erhält die HBB garantierte Mieteinnahmen über einen Zeitraum von mindesten 20 Jahren.
Solche Modelle einer „Public Private Partnership“ sind umstritten. Generell besteht das Risiko, dass PPP-Projekte langfristig teurer werden als ihre möglichen rein öffentlichen Alternativen. Und es besteht immer ein Zielkonflikt: Eine Stadt sollte als Gemeinwesen seine Ressourcen für das Gemeinwohl seiner Bürger*innen einsetzen. Ein Unternehmen dagegen ist an Gewinnmaximierung interessiert. In der Praxis bedeute das oftmals Knebelverträge, unkalkulierbare Kostensteigerungen und natürlich die Privatisierung öffentlicher Gelder.
