In den vergangenen Jahren ist vielfach beklagt worden, die Bochumer Innenstadt sehe nicht mehr schön aus, es mangele an Aufenthaltsqualitäten, sie sei zu stark von Autos belastet und allgemein sind viele Leerstände in der City zu beklagen. Stimmt alles. Und doch denken wir, dass es Zeit wird mit dem Jammern aufzuhören, Visionen zu erstellen und diese Schritt für Schritt zu verwirklichen.
Dazu wollen wir euch einladen.
In den letzten Monaten haben wir daher Menschen in Bochum eingeladen ihre Visionen für die Stadt, in der sie leben, zu entwickeln. Viele Leute sind im Laufe der letzten Monate dieser Einladung gefolgt und haben uns ihre Träume und Wünsche einer lebenswerten Stadt erzählt. Dies zeigt uns, dass das Thema viele Menschen in Bochum bewegt und es zudem einen großen Bedarf an Partizipation gibt. In vielen Gesprächen, bei Stadtrundgängen oder auf Veranstaltungen wurden so Bausteine geschaffen, die unsere Stadt lebenswerter machen können.
Eine Vision wird greifbar
Diese Ideen und Bausteine, die von den Menschen in Bochum entwickelt wurden, haben wir gesammelt und wurden von der Künstlerin Ann-Kathrin Struck in diesem wunderbaren Wimmelbild festgehalten. Dieser Impuls soll auch in diesem Jahr weitere Bochumer:innen inspirieren die Stadt weiterzudenken. Das Poster im DIN-A1-Format kann sich nicht nur jede:r bei uns abholen und zuhause oder – noch besser – im öffentlichen Raum aufhängen. Wir laden darüber hinaus nun alle Bochumer:innen ein, an der Vision einer lebenswerten Stadt mit uns oder alleine weiterzudenken und deren Umsetzungen zu koproduzieren.
Bis zum Sommer möchten wir weitere Ideen und Wünsche sammeln. Wie stellst du dir deine lebenswerte Stadt vor? Es können neue Häuser, Wohnprojekte, Brücken, Parks, Spielplätze, Radwege und vieles mehr ausgedacht werden. Mit diesen Visionen wollen wir vor allem aber Lust auf Veränderung machen. Die Ideen, die viele Menschen begeistern, können weitergedacht werden. Sind diese umsetzbar? Was müssten wir dafür tun? Wie könnte eine Innenstadt 2025 aussehen? Was können wir in diesem Sommer schon umsetzen. Doch nicht alles wird am Computer und durchs Reden gelingen. Sobald es wieder möglich ist wollen wir Rundgänge, Kartierungsprojekte und weitere Formate anbieten, in denen Visionen einer lebenswerten Stadt entstehen können.
Bei den Aktivitäten haben wir unseren Fokus bewusst auf die Bochumer Innenstadt gelegt, da dies der Ort ist, den alle Menschen in Bochum nutzen und aufsuchen. Dass die Innenstadt ihre Funktion als Ort für Einkauf und Konsum mehr und mehr verliert zeigen die leeren Schaufenster und Ladenlokale, die uns trostlos anblicken. Dabei gibt es viele Ideen und Bedürfnisse zur Nutzung der Innenstadt. Hierbei stehen jedoch einfallsreiche und gemeinwohlorientierte Nutzungsmöglichkeiten und die Nutzung des öffentlichen Raumes im Vordergrund.
Solidarischen Orte der Gemeinschaft
Immer wieder gab es in den bisherigen Gesprächen und Stadtrundgängen den Vorschlag gemeinsame Orte zu schaffen, in denen Begegnung und Versorgung miteinander verknüpft werden. Die Kombination von Kitas und Setas (Senior:innentageseinrichtungen) könnte einer dieser gemeinsames Orte sein. Einige Male wurde auch die Idee der Stadtteilkantine genannt, in der Bewohner*innen und Besucher:innen der Stadt gemeinsam essen.
Auch die globale Pandemie sorgt für ein Umdenken in der Stadt. Denn besonders in der Zeit von Corona ist die sogenannte Reproduktionsarbeit an den Frauen hängen geblieben, wie etwa das Kochen, die Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Trösten, Zuhören… wie schön es doch wäre, einen Teil dieser Arbeit mit anderen zu teilen. Diese gemeinsam produzierten Orte können die, die versorgt werden müssen und die die versorgen, sichtbar machen und diese existenzielle gesellschaftliche Aufgabe eine angemessene Bedeutung geben. Meist werden diese Aufgaben im Privaten geleistet oder hinter verschlossenen Mauern unsichtbar gemacht.
Andere Orte, die ein solidarisches Miteinander unterstützen können, sind etwa Werkstätten, die offen für alle Menschen sind, in denen Dinge hergestellt oder repariert werden können. Hier können auch Fähigkeiten erlernt und weitergegeben werden. Darüber hinaus sind auch nachbarschaftliche Räume oder nicht kommerzielle Cafés für eine lebenswerte Stadt gefordert, hier können etwa gemeinsame Filmabende stattfinden, es können Karten gespielt werden oder offene Singabende stattfinden – ohne den Zwang etwas konsumieren zu müssen.
Aufatmen in urbanen Grün
In der Vision einer lebenswerten Stadt ist die Innenstadt möglichst auch frei von Autos. So könnte die Stadt endlich aufatmen und sich so entschleunigen, dass Kinder und Menschen, die sich nicht schnell bewegen können oder wollen, sicher sind. Die Stadt könnte auch weiter aufatmen, wenn die öffentlichen Grünflächen als urbane Gärten genutzt werden, zu denen alle Zugang haben und die gemeinsam gepflegt werden. Viele Menschen in der Stadt haben keinen eigenen Garten oder Balkon und können an diesen Orten die Gemeinschaft und die grünen Oasen in der Innenstadt nutzen.
All diese Orte sind Orte des Lebens für Alle. Dies bedeutet eine gemeinsame Teilhabe an gesellschaftlichem Leben, Ressourcen und Infrastruktur und eine gemeinsame Teilhabe an Gemeingut. Die Frage ist, wie wir die städtischen Funktionen Arbeit, Wohnen, Freizeit und Erholung wieder zusammenbringen können.
Besonders bedanken möchten wir uns für die Zusammenarbeit mit der Rosa Luxemburg Stiftung, die uns beim Druck der Plakate finanziell unterstützt hat, bei AnnKatrin, die dieses wunderbare Wimmelbild entworfen und hat und bei den Aktivistinnen vom atelier automatique, für den inspirierenden Austausch über Visionen einer lebenswerten Stadt.