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Reaktionen auf den Eilbrief „Öffnet die Hotels!“

Am Freitag, den 14.02.2021 hat ein Bündnis aus 32 Bochumer Vereinen, Initiativen und Organisationen den Eilbrief „Wohnungslose müssen vor Kälte und Corona-Ansteckung geschützt sein: Öffnen Sie Hotels und öffentliche Einrichtungen!“ an die Stadt Bochum geschickt. Das Netzwerk »Stadt für Alle« ist eine der Unterzeichner*innen.

Bereits am gleichen Abend antwortete Sozialdezernentin Britta Anger mit einem ausführlichen Schreiben. Darin bezeichnet sie unsere gemeinsame Forderung nach einer Öffnung der Hotels als zwar „im Grundsatz richtig“, für Bochum aktuell aber als überflüssig. Dies begründet sie damit, dass die Plätze in den existierenden Notschlafstellen nicht vollständig belegt seien. Dennoch sehen wir nach wie vor Menschen, die draußen übernachten. Auch die Berichte des DRK-Kältebusses belegen dies. Die aktuellen Angebote erreichen also aus unterschiedlichen Gründen nicht alle Menschen in Not. Das Angebot in einem Hotelzimmer unterzukommen hat das Potential zusätzliche Menschen davon abzuhalten ihr Leben in der Kälte zu riskieren.

In einer Stadt, in der laut einer städtischen Imagekampagne das „WIR noch zählt“, ist es in unseren Augen unerlässlich, alle Menschen in dieses WIR einzubeziehen. Wir alle nehmen aufgrund der Pandemie große Einschränkungen in Kauf, um zu verhindern, dass das Virus noch größere gesellschaftliche Tragödien anrichtet. Flankiert werden die schmerzlichen Schließungen und Kontaktbeschränkungen durch finanzielle Hilfen für strauchelnde Unternehmen und Konzerne. Es ist wichtig, dass mit der gleichen Anstrengung auch die Menschen geschützt werden, die sich nicht in die Sicherheit der eignen vier Wände zurückziehen können, sondern die auf die Hilfe der Stadtgesellschaft anwiesen sind.

Essenausgabestellen, Tagesaufenthaltsstätten, Arztpraxen und viele Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe mussten ihr Angebot auf Grund des Infektionsrisikos reduzieren. Hier ist die Stadt gefragt, diesen Abbau von Hilfsstrukturen mindestens gleichwertig auszugleichen. Auf diese Forderung des Eilbriefs, also die in unseren Augen notwendige Öffnung weiterer städtischer Einrichtungen als zusätzliche Orte für den Tagesaufenthalt, geht die Antwort der Sozialdezernentin leider nicht ausdrücklich ein.

Bei der Forderung nach Hotelzimmern für Obdachlose geht es nicht um Minibar und Zimmerservice, sondern um existenziellen Schutz und eine tatsächlich menschenwürdige Nothilfe. Die Hotels stehen im Moment leer und sind auf staatliche Hilfen angewiesen. Warum sollten sie weiterhin leerstehen, wenn es Menschen gibt, die diese Orte nutzen können, um sich vor Kälte und Corona in Sicherheit zu bringen? Wieso sollte die Tatsache, dass es bereits schlechter ausgestattete und zum Teil schlecht erreichbare Notunterkünfte abseits der Innenstadt gibt, ein Argument dafür sein, die Hotelzimmer leerstehen zu lassen? Aus diesem Grund unterstützt das Netzwerk »Stadt für Alle« auch die Petition der sozialen Straßenzeitungen in Deutschland.

Die Bochumer Grünen haben auf den Eilbrief mit einer Presseerklärung reagiert, die den Titel „Wohnungslose brauchen Wohnungen statt Hotelzimmer“ trägt. Die Forderung, dass alle Menschen in Bochum in eigenen Wohnungen leben können, ist natürlich richtig. Es braucht jedoch im Winter und insbesondere bei lebensbedrohlichen Temperaturen schnelle Lösungen, die Wohnungslosen konkret helfen. Notwendig ist nicht das eine oder das andere, sondern beides!

Als Netzwerk »Stadt für Alle« setzen wir uns schon lange für einen sozialen Kurswechsel in der Bochumer Wohnungspolitik ein. Bochum braucht weit mehr mietpreisgebundene und bezahlbare Wohnungen sowie eindeutigen Vorrang für gemeinwohlorientierte Projekte gegenüber renditeorientiertem Bauen. Die mehrheitlich städtische Wohnungsgesellschaft sollte ebenfalls verbindlich auf gemeinwohlorientierte Ziele statt auf die Erwirtschaftung von Renditen verpflichtet werden. Notwendig ist darüber hinaus eine soziale kommunale Bodenpolitik nach dem Grundsatz „Vergabe nach dem Erbbaurecht statt Privatisierung“. In Bezug auf Wohnungslosigkeit sollte das Prinzip „Housing first“ auch abseits von Modellprojekten zum Normalfall werden.

Wir ermutigen die Stadtverwaltung und die Rathauskoalition aus SPD und Grünen, hier endlich mutigere Schritte zu ergreifen, aber darüber hinaus auch die konkrete Nothilfe nicht zu vernachlässigen. Jeden Schritt in diese Richtung begrüßen wir, und wir beteiligen uns gerne daran.

Veröffentlicht in Stadt für Alle