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Wer draußen schläft, ist in Gefahr!

Eine Stellungnahme von »Stadt für Alle« zum aktuellen Kältekonzept der Stadt Bochum

Es ist kalt in Deutschland, und zwar sehr kalt! Seit einigen Tagen wird daher in verschiedenen sozialen Netzwerken darauf hingewiesen, bei Menschen, die draußen schlafen, nicht wegzuschauen und im Notfall die 112 wählen, um einen Kältetod zu vermeiden.

Pünktlich zur Winterzeit erschien dann auch das Kältekonzept der Stadt Bochum. 284 Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, zählt die Stadt Bochum. Dabei kann jedoch von einer ganz anderen Dunkelziffer ausgegangen werden. Insbesondere die versteckte Wohnungslosigkeit (also Menschen, die nicht in städtischen Angeboten unterkommen und daher aus der Statistik verschwinden) wird hierbei erneut nicht mitbedacht.

Im letzten Jahr kritisierte das Netzwerk »Stadt für Alle« sowie weitere Bochumer Gruppen und Initiativen bereits das Kältekonzept der Stadt Bochum, unter anderem auch bodo e.V. Welche Veränderungen gibt es in diesem Jahr?

Kurz gesagt: Es gibt nicht viel neues. Auf neun Seiten fasst die Stadt Bochum die vorhandenen Angebote zusammen, erklärt das neue drei Stufen System, welches nach und nach bei Bedarf Unterkünfte in der Stadt freischaltet. Im letzten Schritt wird dann etwa die Graf-von-der-Recke-Schule zur Verfügung gestellt, die allerdings nur in Begleitung von Streetworker*innen mit kostenlosen ÖPNV erreicht werden kann. Eine kostenlose Fahrt mit dem ÖPNV ohne die Begleitung der Streetworker*innen ist laut Kältekonzept nicht vorgesehen. Die Schule liegt in Hamme, zu Fuß sind es vom Hauptbahnhof bis zur ehemaligen Schule ganze 43 Minuten. Warum ist das problematisch?

In Bochum gibt es verschiedene Schlafstellen für Frauen und Männer und für Jugendliche, die meisten von ihnen sind jedoch nicht gut zu erreichen. Besonders im Winter können Wege von bis zu einem Kilometer oder sogar weniger für Menschen auf der Straße ein echtes Hindernis darstellen.

Hierfür stellt die Stadt Bochum bzw. die Stabsstelle Klima & Nachhaltigkeit nun einmalig 200 Tagestickets aus, mit denen die entlegenen Notunterkünfte zukünftig besser erreicht werden sollen. In Kooperation mit bodo e.V. werden diese nun verteilt. Problematisch ist jedoch, dass zum einen nicht alle wohnungs- und obdachlosen Menschen bei bodo e.V. Unterstützung aufsuchen und so eventuell nichts von der Aktion mitbekommen. Doch auch rechnerisch geht die Lösung nicht auf: Bei 284 gezählten obdachlosen Menschen sollen 200 Tickets für den ganzen Winter ausreichen? Und wie löst sich das Problem dann nach dem Winter? Und was passiert, wenn Busse und Straßenbahnen aufgrund der Witterung nicht mehr fahren?

Schockierend und irritierend ist dabei aber auch, dass der Bahnhof laut dem Kältekonzept der Stadt erst bei unter -10 Grad aufmacht. Unter -10 Grad?! Ohne eine extrem gute Ausrüstung, also eine gute Isomatte und einen winterfesten Schlafsack, wird es schon bei weit weniger Minusgraden draußen lebensbedrohlich. Es gibt Menschen, die aus verschiedenen Gründen Notunterkünfte meiden. Dies kann u.a. mit Suchterkrankungen, Gewalterfahrungen oder persönlichen Gründen, wie etwa Konflikten untereinander, zusammenhängen. Daher sind solche niederschwelligen Orte, wenngleich gesicherte vier Wände immer eine bessere Lösung sind, dringend aufzuhalten im Winter!

Im letzten Jahr wurde zudem über die brutale Räumung von Obdachlosen aus dem Bahnhofsbereich durch Polizei und Ordnungsamt berichtet. Hier muss dringend dafür gesorgt werden, dass sich diese Umgangsweise mit obdachlosen Menschen nicht wiederholt! Unsere Frage lautet daher auch, ob und wie Ordnungsamt und Polizei für dieses Thema sensibilisiert wurden. Wenn von Ordnungsamt und Polizei die in diesen Zeiten besonders wertvollen Isomatten und Schlafsäcke nach einer Räumung einfach wieder in den Müll geworfen werden, dann bringen auch die 30 großzügigen Notfallpakete der Stadt Bochum mal wieder nichts (Kältekonzept der Stadt Bochum).

Deswegen fordern wir als Netzwerk die Stadt Bochum auf, besonders jetzt in der Krisenzeit dringend den Wohnungsnotstand zu bekämpfen, um Wohnungslosigkeit zu verhindern. Zugleich gilt es, Lösungen zu finden, um die gestiegenen Energiekosten zu dämpfen und Orte zu schaffen, in denen sich Menschen zentral in der Innenstadt aufhalten können, etwa um sich aufzuwärmen oder in Ruhe eine warme und kostenlose Mahlzeit zu sich nehmen zu können. Essen to Go oder wenn nur eine kurzzeitige Aufenthaltsdauer ist für Menschen, die den ganzen Tag auf der Straße verbringen, keine geeignete Lösung. Es gibt genügend Leerstand in der Stadt, der für solche Zwecke schnell und kostengünstig umgenutzt werden könnte! Zuletzt muss dringend eine kostenlose Nutzung des ÖPNV garantiert werden, so dass die weiter entfernten Notschlafstellen gut erreicht werden können.

Veröffentlicht in Stadt für Alle